Jeder betrachtet täglich unzählige Male seinen Körper vor dem Spiegel. Und seinen Kopf. Frauen öfter als Männer zwar. Aber jeder in unserer Spiegelgesellschaft tut das. Wie ist das mit den Haaren? Aha, neue Fältchen! Ein Pickel. Mehrmals täglich findet eine Inspektion statt, mal kritischer, mal weniger kritisch. Und ob wir nun zufrieden sind mit dem, was wir da sehen, oder ob es uns niederdrückt: Wir neigen dazu, dem Spiegel zu glauben, wenn er uns auf den Kopf zusagt: Du bist nicht die Schönste im ganzen Land. Manchmal werden wir zwar kurz grün und gelb vor Neid, aber das gibt sich rasch. Wir machen etwas auf Diät, kaufen ein neues Kleid und gehen zum Friseur. Und schon ist die Gesichtsfarbe für eine Weile wieder normal.
Was aber ist mit unserem geistigen Spiegelbild? Verhalten wir uns da nicht eher wie Schneewittchens Stiefmutter und versuchen mit aller Macht und Tücke, nicht nur unser verschwommenes Denken als klar auszugeben und aufrechtzuerhalten, sondern beginnen rasch, wenn kein Jäger zur Hand ist, mit der Herstellung von Schnürriemen und dem Präparieren von Kämmen und Äpfeln? Curare für Bibliothekare. Und daß wir erst mal versuchen, alle erreichbaren Spiegel zu zerschlagen, die uns unser Selbstbild nicht bestätigen, das versteht sich von selbst.