Gotteslästerung

Eingesperrt im Tabernakel
paßt er gut auf die Kirche auf
und die Priester auf ihn
und damit er nicht fortläuft
was man ja verstehen könnte
schließt man ihn ein
bei Bedarf hervorgeholt
mit großem Oh-oh
von den
Enkelkindern Freuds
als wäre
Gott eine Garnrolle

Fußball – Rote Karten

Mag sein, daß Gott am achten Tag Francesco Totti schuf, wie italienische Fußballfans behaupten, aber für Daniele De Rossi gilt das wohl nicht. Den schuf eher der Konkurrent aus der Unterwelt. Es gibt Spieler, denen man prophylaktisch eine rote Jahreskarte zeigen sollte.

Wenn auch behauptet wird, Schiedsrichter Jorge Larrionda sei vor Beginn des Spieles beim Aufwärmen in der Stadiontoilette gesehen worden, wo er sich selbst vor dem Spiegel immer wieder die rote Karte zeigte: Der Schiedsrichter hat farblich korrekt agiert.

Ungerecht war das Farbenspiel dennoch. Vielleicht sollte man sich bei der FIFA mal überlegen, ob es in Zukunft nicht hellrote und dunkelrote Karten geben sollte oder eine ähnliche Regelung wie beim Eishockey.

2006

Identitätsprobleme

Das Paradoxe am menschlichen Leben ist, daß der Mensch etwas werden soll, was er schon ist. Und deshalb natürlich nicht werden kann. Gott (oder wie immer wir das Nous nennen wollen) fragte sich: Wer bin ich? Und ließ sich Menschen wachsen. Wir sind die Inkarnationen der Identitätsprobleme Gottes.

Und wenn wir danach streben, daß das Größere uns inkorporiere, dann ist das ein Mißverständnis, denn wir sind bereits inkorporiert. Aber wir fühlen uns ausgestoßen: so ähnlich wie ein Aufklärungstrupp im Niemandsland.

Denkfähigkeit

Wir sollten unsere Denkfähigkeit nicht nur dazu mißbrauchen, um unsere Glaubenssätze intellektuell zu frisieren und zu illustrieren, wir sollten vielmehr mit unserem Denken unsere Glaubenssätze immer wieder auch überprüfen und die Grundlage für bessere schaffen. Denn ohne einen Glauben an was auch immer ist das Leben nicht sonderlich lebenswert. Aber dieser Glaube sollte auch in schwierigen Stunden vor unserm Denken Bestand haben.

Schöner Tag

Meine Frau hat gesagt
daß sie mich liebt
ein Dichter hat mir ein
Buch geschenkt

meine Mannschaft
hat gewonnen und
mein Spiegelbild
war mir geneigt

ich habe keine
Kopfschmerzen
und ein Gedicht geblüht
die Rosen farben

wenn meine Tochter
Pubertätspause hätte
wäre es
Glück

2006

Der Niemand und die »Niemandheit«

»Jemand zu sein ist nicht möglich, es liegt nicht in der Natur der Dinge. Wir können nur niemand sein«, sagte der Guru, heimlich durchdrungen von seinem eigenen Jemandsein im Niemandsein.

Aber ist es nicht in Wirklichkeit so: Auch wer niemand ist, ist jemand, denn das Sein konstituiert sich im »ist« – und nicht im »…mand«. Niemand könnte nur »sein«, wer nicht ist. Aber wenn er nicht ist, ist er nicht. Auch nicht niemand. Niemand gibt’s nicht. Es gibt nur den Niemand als Wertkategorie, nicht als Seinskategorie. Wenn der Guru also absieht von »der Natur der Dinge« und die Niemandheit begrenzt auf ihr blutleeres kategoriales Sein, das Existentielle außer acht lassend, dann will ich dem gerne Geltung zusprechen, möchte dabei jedoch die nichtautonome metaphysische Seinsqualität des Gurus ausdrücklich mit einbeziehen.