Wenn der Mondwind
an die Scheiben klopft
knirscht der Kies
im inneren Ohr
und du denkst
jetzt kommen die Räuber
und du fühlst
wie es rauscht
im Ozean
Gezeiten im Blut
und du schwankst im Rausch
des Melatonins
wirbelst herum in
überlappenden Gravitationen
als wärest du ein Eisenspan
im Sog polarer Magnete
und du siehst
wie das volle Gesicht
der Sommernacht
wissend lächelt
ein gütiger Räuber
der dich beschenkt
und du träumst
deinen Traum
schlaflos weiter
als schliefest du wachend
als wärest du
wach
Tag: 29. Oktober 2018
Tirade 51 – Über Grabsteherei
Milo und Heine
manche stehn gern an Gräbern
da tobt das Leben
bei Fürsten und bei Dichtern
stehen die Dichterfürsten
Zur Pornographie
Bei näherer Betrachtung steckt hinter der Ablehnung jeglicher Pornographie nichts anderes als Furcht vor dem Leben. Und je größer diese Furcht, um so stärker die Ablehnung. Sie ist der altbekannte Reflex der apollinischen Scheinwelt gegen die dionysische Urgewalt, die von innen an unsere Pforten klopft und Einlaß begehrt.
Tirade 50 – Fußball-WM
Ich gebe es zu
und kann es nicht erklären
Flattern im Rücken
Wenn McDonald’s nicht wäre
wär’s ein Riesenereignis
Tirade 49 – Nichts Genaues
Homo erectus
was wissen wir vom Menschen
Homo sapiens
Anthropologen glauben …
an die Anthropologie
Slowhand in Budapest
So wenig Worte
beim Konzert der reiche Mann
am verkauften Bühnenrand
Slowhand slow
so sprachlos singend
das Herz glutlos
erwärmt
um soviel echter die zwei
im Wettstreit mit den Amseln
sanfte Gitarrenkläger
Knopflerkopie
im abendlichen Budapest
und klingt mal
ein Forintstück
wortarm auch sie
aber das eine und das andere Herz
macht einen Sprung
Bücherverbrennung 2006
Wie es scheint, sollen in Deutschland wieder Bücher verbrannt werden. Das jedenfalls muß man annehmen, wenn man die gegenwärtige Debatte und die Meinungsäußerungen im Streit um Peter Handkes politische Handlungen, Wortmeldungen und Ansichten verfolgt, ohne genauer hinter die Überschriften und Schlagworte zu schauen, die durch die Gegend geistern.
»Wir erkennen, dass Meinungsfreiheit auch im Westen nicht mehr besteht«, sagt Claus Peymann und schlägt Handke für den Nobelpreis vor.
Für Marlene Streeruwitz ist gar »das Ende der Kunst, wie wir sie kennen, das Ende der Aufklärung« gekommen.
In der »Zeit« werden politisch irrende Größen der literarischen Vergangenheit beschworen, um eine neue Auflage des Geniekultes ins Werk zu setzen.
Nun ist es aber in Wirklichkeit so, daß es nicht darum geht, Handke den Mund zu verbieten oder sein Werk madig zu machen, nein, es geht um seine politische Haltung und die damit verbundenen Handlungen.
Ich finde, daß jeder, der sich in der Öffentlichkeit äußert, mit Begleiterscheinungen wie Lob und Kritik rechnen muß, und zwar unabhängig davon, ob er die ihm eigene Intelligenz nutzt oder nicht.
Einen besonderen Geniebonus sollte es ebensowenig geben wie einen Rechtsanspruch auf dotierte Preise.
Und ich kann durchaus nichts Falsches dabei entdecken, wenn diejenigen, die solche Preise ausloben und finanzieren, ihr Mitspracherecht bei der Vergabe in Anspruch nehmen.
Immerhin hat Peter Handke nun mit großer Geste und nicht ohne Worte mit Leberwurstgeruch rechtzeitig abgewinkt. Auf jeden Fall immer noch honoriger, als wenn er den vielleicht doch noch verliehenen Preis mit noch größerer Geste abgelehnt hätte, wie weiland die obengenannte Frau Streeruwitz den Badener Kulturpreis.
There’s No Business Like Show Business.
2006
Fesseln
Wenn wir nicht genau wissen, wohin wir vorwärtskommen wollen, haben Fesseln einen großen Nutzen: Sie hindern uns daran, ziellos in der Gegend herumzulaufen, und zwingen uns dazu, darüber nachzudenken, was wir wirklich wollen.