Wenn der Erwachte
schläft träumt er
er wäre erwacht
so merkt er nicht
daß auch er nur
ein Mensch ist
der träumt
vom Schlaf
der andern
Nichterwachten
Tag: 20. August 2018
Spartanisches Denken
Schlecht für den Kopf
die alten Weisheitslehren
beim vielen Lesen
im weichen Sessel
am warmen Ofen
Bücher verteilen
die Weisen auf dem Sofa
der Druck im Rücken
macht die Gedanken
so frisch wie der Frost
Negativ besetzt
Negative Besetzungen, Behaftungen verhaften uns, werfen uns in den Kerker der Vergangenheit und behindern unsere Entwicklung in der Gegenwart. Damit geben wir den für diese Behaftungen Verantwortlichen Gewalt über uns. Und nehmen uns selbst einen Teil unserer Freiheit.
Captatio benevolentiae
Ist es nicht erstaunlich, daß gerade die dümmlichsten Redewendungen besonders erfolgreich sind? Nichts ist verbreiteter als Phrasen, von Phrasendreschern einmal abgesehen.
Über einen, der sich beim Trinken von Rum bekleckert, weil er zu gierig ist, lacht man gern. Aber wer kennt nicht die vorwurfsvolle Feststellung, jemand habe sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert? Ja, warum sollte sich einer bekleckern, wenn er nicht die Neigung zur Selbstbeschmutzung hat? Oder etwa eine Neigung zur Koprophagie. Bei denen ist man sich einig im Gelächter oder im Ekel, wenn sie sich beschmutzen, und selbst bei Kindern, bei denen bekanntlich Kleckerei zur Selbst- und Welterfahrung beiträgt, wird Bekleckerung nicht ohne Unwillen und mahnende Worte hingenommen.
Doch, wie merkwürdig, beim Ruhm ist das ganz anders als beim Rum: Da scheint das Bekleckern Pflicht zu sein. Und wenn ein Berühmter, in dessen Licht man sich selbst sonst gern sonnt, und sei es nur, daß man das gleiche Auto fährt wie er, menschliche Schwäche zeigt, einen Fehler macht oder emotional reagiert statt rational, dann heißt es schnell, »… hat sich nicht mit Ruhm bekleckert«, und alle sind aufgerufen, in das angestimmte Gelächter einzustimmen. Kübel mit Bekleckerndem auf den, der da sagt, solches sei ein Ventil der ruhmlosen Rumtrinker, die nur ihre Neidgefühle nicht im Zaum halten können.
Il ne pense qu’aux femmes
Als ich letzte Nacht aus dem Fenster schaute, dachte ich: Die Franzosen haben recht mit ihrer Sprache. Der Mond ist eine Frau – regelmäßig auf Diät.
Über Wahrheitsverkünder
Große Worte
alte Schriften
doch ein Riß
im Packpapier
feine oder
grobe Sorte
je nach
Seminargebühr
große Münder
im Verkünden
Wer die Wahrheit
lehrt
wird sie
nicht finden
Veränderung
Eine Bewußtseins- oder Verhaltensveränderung, die nicht wahrgenommen wird, ist ebenso irrelevant wie eine, die nicht wahrnehmbar ist.
Über Chancen
Oft glauben wir, wir hätten gestern oder vorgestern eine Chance verpaßt. Aber haben wir das wirklich? Ist es nicht eher so, daß wir eine vielfach lediglich retrospektiv projizierte Gelegenheit nicht genutzt haben? Solche Projektionen haben nur dann einen Sinn, wenn sie uns befähigen herauszufinden, was wir gestern noch nicht konnten und morgen vielleicht besser machen können. Als reine Trauergesten bringen sie uns nicht weiter.
Ach wie gut
Schattenkräuseln
mit bloßen Augen
gelesen
an der Wand
im Flackern
der Kerze
das Wort
die Lichtbrille
sagt mir später:
Tapetenmuster
Rumpelstilzchen