So ohne Sinn

So ein glutloser Tag
ohne Sonnenaugen
sinnleeres Nichts
im solarischen Sprühn
kein Lichtgefühl
am Rande der Welt
wo wolkenumwühlt
rotes Gestein lautlos
ins Dunkel stürzt
kein Tropfen Blut
nicht mal Zischen
nur Möwenschnäbel
Totentanz.

Im Dunst der
Rettungsring und
dein Gesicht mein Gesicht.

Nächtens
werde ich
atemlos morsen
Anna Anna
oder so ähnlich
wieder vergebens.
Palindrom in der
Finsternis.

Dumpfstummes Herz
will nicht verstehn

Maskensammlung

Meine Kommode im Flur hat viele Schubladen mit einer ständig wachsenden Sammlung von Masken in allen Farben.

Da ist die des verständnisvollen Liebhabers, die des liebevollen Sohnes, des Literaturkenners, des Akademikers, des Chronischkranken, des immer noch jugendlichen älteren Herrn. Daneben liegen die Masken des Philosophen (etwa zehn verschiedene), des Altachtundsechzigers, mehrere unterschiedliche Musikkenner-Masken, nach Stilen geordnet, von Heavy-Metal bis Schubert. Die Moralistenmaske, ein wenig angestaubt, findet sich neben der des Fußballfans und in einer anderen Schublade die des Lyrikers in der späten Postmoderne. Eine Esoterikermaske gibt es auch und natürlich die Vatermaske, die mir schon immer als eine der problematischsten erschienen ist. Und es gibt viele andere mehr, so viele, daß ich unlängst bei eBay nach einer passenden alten Kommode Ausschau gehalten habe.

Je nach Bedarf setze ich eine der Masken auf, wenn ich das Haus verlasse, um den Erwartungen derer gerecht zu werden, die ich zu treffen gedenke, und manchmal nehme ich ein paar weitere mit, damit ich, falls nötig, auf irgendeiner Toilette unauffällig wechseln kann: „Ich muß mich mal kurz frisch machen.“

Ehrlich gesagt: Das strengt mich ganz schön an, und von Zeit zu Zeit überlege ich mir ernsthaft, ob ich nicht besser aufhören sollte mit diesem Maskentanz und einfach nur noch ich selbst sein.

Und wenn die andern dann Probleme haben, mich in ihre Schubladen einzuordnen, dann ist das deren Problem. Ich aber bin so frei, wie jemand nur irgend sein kann. Ich denke, das werde ich tun: Ich werde mich von den Masken befreien. Der Teil meiner Persönlichkeit, der in jeder von ihnen enthalten ist, geht mir dadurch nicht verloren, im Gegenteil: Ich werde für alle als Ganzes sichtbar. Jedenfalls für die andern Maskenlosen und für die, die ihre Brillenmaske absetzen oder sich zumindest bewußt werden, daß sie eine tragen.

Nicht erschrecken, ich bin mal so frei.

Morgen

Wenn die Morgensonne
die Fenster zerbricht
ist es Zeit
die Gitterstäbe
zu putzen.

Denn am Abend
ist Hochzeit.

In den Nachbarkäfigen
schmücken sich leise
die Bräute.

Auch die Messer
sind schon gewetzt.
Blank. Kalter Stahl.
In der Ferne
krähen die Hähne