Unbewußte Selbstkritik

Manche Menschen verkörpern selbst genau das, was sie so vehement kritisieren. So gehen sie naßforsch und rücksichtslos gegen vermeintlich naßforsches Verhalten und Rücksichtslosigkeit vor und merken nichts dabei, denn ihrem eigenen Verhalten gegenüber scheinen sie blind zu sein.

Und sie sind durch nichts zu bremsen in ihrer Empörung und wilden Entschlossenheit, auf sich aufmerksam zu machen, und hören nicht mal dann auf, wenn ihre Worte so gar nicht mehr klar, sondern durch ihren schaumigen Mund bereits zur Unkenntlichkeit entstellt sind und alle andern nur noch den Kopf schütteln.

Man ist dann leicht geneigt zu sagen: Der muß es nötig haben. Ja, der hat es nötig, und sein Unbewußtes versucht auf diesem ungewöhnlichen Weg der Projektion, eine Situation zu schaffen, die nach einer Weile dafür sorgen wird, daß wenigstens ein Hauch von Selbstzweifel in das empörte Gemüt einsickert, was schlußendlich vielleicht doch einmal Einsicht erzwingen könnte. Und es ist leider (?) so: Erzwingen kann man Einsicht bei sich selbst nur selber. 

Zeitlose Zeit

Wenn die Uhren
denken könnten
würden sie sprechen

Wenn die Uhren
fühlen könnten
würden sie schreien

Wenn die Uhren
denken und fühlen könnten
würden sie schweigen

Wenn die Uhren
schweigen könnten
wäre es still auf der Welt

Wenigstens für eine Weile

Der Papst stirbt

Wie Schattenlichter
das Blitzen
entfremdeter Tod.

Die Welt beugt sich
laut über
das fremde Sterben
für dich

in den zeitlosen Säulen
das kalte
Steinegestrüpp.

Die Massen
auf den Plätzen
der endlosen
Wahngewalten.

Und zum
Schluß nur
ein Name mehr
auf der Tafel
der verruchten
Stellvertretergestalten.

Eine Blume aus Stein
im Fenster
der Glockentänze.

Ein Name nur
der Vergeblichkeit.

Kein Trost
im Gewühl.

Nur gefiederte
Worte

2005

Geschenk

Im eisigen Schneestein
der zeitlichen Weiten
torkeln vermummte Gestalten
wie hungrige Raben
mit flehenden Armen
und zittrigen Händen
in Aschengewändern.
Sie rufen nach Warmem
und betteln um Gnade
zertreten die Waagen
zerreißen die Roben
zerbrechen die Tafeln
und sprechen
das Wort vor sich hin:
Kein Recht für
das Recht.
Nur gerechte
Begnadung

Manchmal

Manchmal ist die Krankheit das Medikament.

Manchmal ist Krankheit das beste Medikament gegen Krankheit.

Manchmal ist Krankheit das beste Medikament gegen falsch verstandene Gesundheit.

Manchmal ist Krankheit der Weg zur Gesundheit.

Bild im Spiegel

Immer wieder Spiegel. Und der Blick hinein. Wenn die Eitelkeit in den Spiegel hineinschaut, kann nicht die Erkenntnis herausschauen. Vielleicht hilft dir ein mutiger Sprung hinein in dein gläsernes Ich.