Großartige Politik

Die Regierungsparteien haben sich geeinigt. Das Klima geht vor. Tante Elfriede aus Altenbüren (80), die in einem Fachwerkhaus wohnt und deren Gasheizung (25) es mit Stottern und Schnaufen wieder mal gerade so über den Winter geschafft hat, kann aufatmen. Die beiden Rentnerinnen werden nicht zwangsgetrennt. Die komische Zeitung mit den großen Buchstaben in den Überschriften jubiliert: »Habecks Gasheizungs-Verbot gekippt«. Das angebliche Verbot von Gasheizungen ist vom Tisch. Toller Zaubertrick. Der Tisch ist so leer wie zuvor, denn ein Verbot von Gasheizungen war nie geplant, sondern nur das Verbot, eine neue Gasheizung einbauen zu lassen, wenn die alte den Geist aufgibt. Und daran hat sich nichts geändert. Tante Elfriede kann also leider nur kurz aufatmen, denn die altersschwache Brennwerttherme in ihrem Haus wird sicherlich trotz guter Wartung bald den Dienst quittieren. Aber im Notfall kann man ja mal das eigene Sterben in Betracht ziehen.

Die Ersparnisse der Tante Elfriede, die weniger als 1000 Euro Rente bezieht, würden so gerade eben für den Austausch der Therme reichen, der weniger als 10 000 Euro kosten würde; aber ein solcher Austausch wird ja künftig verboten sein. Was dann? Grob überschlagen, kämen auf Tante Elfriede bei der einzigen Alternative, dem Einbau einer Wärmepumpe nebst zugehörigem alternativlosen Umbau des 150 Jahre alten Hauses, Kosten von mindestens 80 000 bis 100 000 Euro zu. Da ja vollmundig versprochen wurde, niemand werde zurückgelassen und der Umstieg auf eine klimafreundlichere Technologie werde nicht teurer sein als eine neue Gasheizung, muß sich Tante Elfriede keine Sorgen machen, denn der Staat wird es schon richten.

Wer’s glaubt …

Ihr Nachbar, der jeden Morgen fröhlich aus dem Schwimmbad im Keller seines neuen Hauses klettert, bevor er mehrmals die Woche in seinen drei Tonnen schweren 600-PS-Geländewagen mit Elektroantrieb steigt, um entweder zur Jagd oder zum Golfplatz zu fahren, sorgt sich ohnehin nicht, hat er doch ein gutgedämmtes Haus mit zwei Wärmepumpen und Fußbodenheizung. Er ist zwar auch Rentner, aber als Miteigentümer einer Anwaltskanzlei und ehemaliger Regierungsrat ist er bestens versorgt und sorgenfrei. Er freut sich über den zukünftig schnelleren Ausbau der Autobahnen und darüber, daß es nach wie vor dieses lächerliche Tempolimit nicht geben wird.

Glaub ich sofort.

Und der viele Strom, der demnächst benötigt wird, wird mindestens zur Hälfte aus Kohle- und
Gaskraftwerken kommen. Oder aus Zaubertricks künstlicher Intelligenz.

Das Ganze ist das Ergebnis natürlicher Dummheit.

Immer wieder sonntags

Bei der letzten Umstellung haben meine Uhren mir ihre Krallen gezeigt. Aber es hat ihnen nichts genützt. Sie mußten sich fügen, so wie auch ich mich fügen mußte. Aber die Hähne sind uns allen überlegen. Sie fügen sich nicht. Sie krähen weiter die richtige Zeit. Die Biologen arbeiten dran.

Pompositas*

Tante Elfriede aus Altenbüren hört im Radio: »Es kommt auf das, wie soll ich sagen, surrounding an.«

»Quid hoc sibi vult?«, denkt die Tante und schüttelt ihre grauen Locken.

Statt im naheliegenden Wortschatz zu kramen, wo die Moderatorin mühelos das Wort »Umgebung« gefunden hätte, wurde das Fernglas gezückt und im amerikanischen Englisch das nominalisierte Verb von »surround« erspäht oder mit Mühe selbst gebildet. (Am Rande: Müßte es nicht korrekt eher (die) surroundings heißen?) Wahrscheinlich hat die Medienfachfrau auch nur in ihrer neuen Liste von aktuellen Wichtigtuerwörtern nachgeschaut.

  • Pomposity means speaking or behaving in a very serious manner which shows that you think you are more important than you really are.

»Das Kachelmanöver« einer Jüttenrednerin

Daß jemand einer Leidenschaft, einem Laster oder auch nur einem Hobby »frönt« und dabei manchmal aus der Sicht Außenstehender ein wenig übertreibt, wer hätte das nicht schon mal erlebt? Aber einer »erklärten Mission frönen«? Nun, die Zuschreibung des Frönens findet sich meist dort, wo man Leidenschaft von vornherein argwöhnisch beäugt. So argwöhnisch wie die eine Frau die andere: »tief dekolletiert«, die »dichten dunklen Locken … drapiert«. Kann man das noch als Neid auf die wohl Attraktivere entschuldigen, so bleiben die teils abwertenden, teils beleidigenden Beschreibungen von möglicherweise mühsam aus der Realität abgeleiteten Äußerlichkeiten: »Erdkundelehrer-Brille und Stoppelbart«, der Verleger »mit Segelohren und Intellektuellenbrille« ebenso unverständlich wie die aus der Phantasie der Frau Jüttner entsprungenen »identischen, atmungsaktiven Funktionsjacken«. Woher sie die holt, kann wohl nur ein fähiger Psychotherapeut mit Schwerpunkt Traumdeutung herausfinden. Und daß die Kachelmanns »aufs Podium stolpern«, ist das, wie das meiste übrige, nicht vor allem bitterer Ausdruck eines tiefempfundenen Ressentiments, dessen man sich nicht schämen zu müssen glaubt? Ganz schlechter Journalismus.

PS: Nach späterer Ansicht von Fotos muß das „tief dekolletiert“ als glatte Lüge bezeichnet werden. Man kann eher von nicht extrem halsnah sprechen.

SPIEGEL ONLINE

2012

»Der Sprung um sein Leben«

Wenn einer aus dem vierten Stockwerk eines brennenden Hauses in ein Polyestertuch springt, weil das Treppenhaus in Flammen steht und die Drehleiter der Feuerwehr sich verklemmt hat, dann kann man mit Fug und Recht von einem »Sprung um sein Leben« reden. Auch dann, wenn sich einer auf der Straße vor einem besoffenen Schwachkopf in Sicherheit bringen muß, der meint, mit zwei Promille im Blut wäre er der King. Aber wenn sich ein Lebensmüder aus großer Höhe Richtung Erdoberfläche fallen läßt, dann ist es kein »Sprung um sein Leben«, sondern allenfalls ein kindisches Ringen um Ruhm. Und die blödsinnige Überschrift ist Ausdruck tiefer Gedankenlosigkeit.

Hamburger Abendblatt

PS: Inzwischen hat einer die Überschrift durch das Adjektiv »durchgeknallt« ergänzt, was der Dummheit aber auch nicht richtig abhilft.

Der Duden und der Hohn

Seit Beginn der Orthographiereform 1996 kann ich den Duden, der vorher schon nicht ohne Eigentümlichkeiten, Rechtschreibfehler und Sprachschlampereien war, auch mit bemühtem kollegialem Verständnis nicht mehr ernst nehmen, und nicht wenige der gelbgewandeten Empfehlungen reizen mich zum Lachen, wenn nicht zum Spotten oder gar Höhnen: also dazu, dem Hohn, der sich beim Zusammenprall mit den polyphonen Mannheimer Farbklecksereien regelmäßig in meinem Kopf entwickelt, Ausdruck zu geben, indem ich hohnlache. Ich könnte seit 1996 selbstverständlich sprachamtlich sanktioniert auch Hohn lachen, was jedoch meinem Sprachgefühl hohnspräche (und nicht etwa Hohn spräche). Deshalb verzichte ich darauf, es hohnsprechen zu lassen, so daß es nicht auf den ersten Blick hohnzusprechen scheint oder „zu hohnsprechen“, wie der Duden online unter dem Stichwort „hohnsprechen“ in Verkennung der Grammatik der starken Verben falsch formuliert. Daß es weiter unten unter Grammatik richtig „hohnzusprechen“ heißt statt „zu hohnsprechen“, das ist nur eine Merkwürdigkeit mehr in den sottisenreichen Merkwürdigkeitensammlungen des Bibliograf(ph)ischen Instituts und spricht nichts und niemandem „Hohn“ oder, wie ich sagen würde, hohn, außer der ernsthaften Beschäftigung mit der Sprache. Doch darum geht es bei besagtem Institut leider nicht immer.

Klugheit und Intelligenz

Wer klug ist, glaubt nicht daran, daß Intelligenz dasselbe ist wie Klugheit, wer intelligent ist, glaubt oft, er wäre klug. Ziemlich blöd. Ich bin lieber so klug, Klugheit und Intelligenz nicht zu verwechseln und nichts von Intelligenztests zu halten. Ob das intelligent ist, mögen Klügere beurteilen.

DIE ZEIT